Wie kam es zum Besuch an der HLMW9?
Ariane Röhl:
Ich hatte die Möglichkeit, über das Erasmusprogramm „Nachhaltigkeit an Modeschulen“ die HLMW9 als Partnerschule zu gewinnen. Das Shortterm-Projekt zieht sich über 14 Monate. Das erste Mal haben wir die Modeschule Michelbeuern 2023 kontaktiert und heuer im Februar waren wir für eine Vorbesprechung zu Besuch in Wien. Nach meiner Woche hier steht ein Workshop für die Kolleg*innen in Berlin zum Thema Fertigung auf dem Programm.
Damit wir uns die Modeschule Berlin besser vorstellen können, können Sie uns davon ein wenig berichten?
Die Modeschule Berlin ist ein staatliches Oberstufenzentrum für Textil und Bekleidung. Wir haben pro Jahr rund 200 Ausbildungsplätze in diversen Fachbereichen - wir bilden unter anderem Designer*innen, Textil- und Modenäher*innen, Maßschneider*innen, aber auch Modist*innen in dualer Form aus. Das Besondere bei uns ist, dass Schüler*innen zwischen 16 – 26 Jahren gemeinsam eine Klasse absolvieren, je nach Ausbildungszweig. Die Bandbreite reicht von der Berufsschule über die integrierte Berufsausbildungsvorbereitung bis zur Fachoberschule, die unsere Schüler*innen übrigens mit einem Fachabitur abschließen.
Die Modeschule Berlin ist eine Umweltschule, die auf Nachhaltigkeit Wert legt. Was können wir uns darunter vorstellen?
Wir haben zum Beispiel den “freecycling- Wettbewerb: Fresh it up!” durchgeführt. Bei uns im Haus betreiben wir den Shop „Patchwork“, der eine offizielle Schülerfirma der Modeschule Berlin ist, für den die Schüler*innen im 3. Lehrjahr verantwortlich sind. So lernen die Schüler*innen auch gleich den direkten Kundenkontakt. Verkauft werden neu gefertigte und Upcycling Kleidungsstücke sowie Accessoires.
Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sehen Sie zwischen den beiden Modeschulen?
Abgesehen von den unterschiedlichen Ausbildungslehrgängen und der Tatsache, dass wir keine klassische Erwachsenenbildung anbieten, gibt es auch viele Überschneidungen. Solides Handwerk und Kreativität stehen bei uns auch ganz oben. Im Rahmen von Fashionshows präsentieren die Schüler*innen an beiden Schulen ihre Designs. Die Assistent*innen für Mode und Modedesigner*innen erstellen bei uns am Ende der Ausbildung eine Kollektion.
Außerhalb des Unterrichts haben die Schüler*innen die Möglichkeit an unserer Modenschau AG teilzunehmen. Zu einem jährlich festgelegten Thema entwerfen und fertigen die Schüler*innen ihre Outfits und präsentieren diese auf unseren Modenschauen.
Ein Unterschied ist bei uns, dass wir Kundenaufträge weniger im Fokus haben. Hier in Wien entwerfen die Schüler*innen zum Beispiel die Outfits für den Miss und Mister Austria Wettbewerb. Kooperationen sehe ich an beiden Schulen, wir arbeiten zum Beispiel mit dem MEK - Museum Europäischer Kulturen und dem Haus Kreisau zusammen.
Was ist Ihnen positiv an der HLMW9 aufgefallen?
Die Schüler*innen sind alle sehr offen und haben mir viel über ihre Arbeit erzählt. Man merkt, dass sie stolz auf ihre Werkstücke sind. Sehr schön finde ich auch die hellen und großzügigen Räume und das angenehme Klima.
Was nehmen Sie sich von Ihrem Besuch mit?
Zwei Themen, die ich mir genauer ansehen möchte, das sind die Kundenaufträge und die Erwachsenenbildung.
Ein Blick in die Zukunft: Wohin wird sich die Modeausbildung bzw. -branche Ihrer Meinung nach hin entwickeln?
In der Wirtschaft ist die Nachfrage nach Expert*innen groß. Viele Produktionsstätten lagern zwar in andere Länder aus, ich bemerke jedoch eine Entwicklung und hoffe, dass sich dies wieder verändert. In Berlin sieht man schon, dass viele spannende Start-Ups entstehen.
Die Betriebe und Arbeitsvorgänge entwickeln sich technisch und digital rasant weiter, hier braucht es noch mehr Affinität in der Ausbildung.