Judenschicksal
Ich sah heut’ tausend Menschen, verstörten Angesichts
Ich sah heut’ tausend Juden, die wanderten ins Nichts
Im Grau des kalten Morgens zog die verfemte Schar
Und hinter ihr verblaßte, was einst ihr Leben war.
Sie schritten durch die Pforte und wußten: nie zurück!
Sie ließen alles dorten: Vermögen, Geltung, Glück.
Wohin wird man euch führen? Wo endet euer Pfad?
Sie wissen nur das Eine: ihr Ziel heißt Stacheldraht!
Und was dort ihrer wartet ist Elend, Qual und Not,
Entbehrung, Hunger, Seuchen, für viele bittrer Tod.
Ich schaut in ihre Augen mit brüderlichen Blick,
Erwartend tiefsten Jammer in solchem Mißgeschick
Doch statt Verzweiflung sah ich nur ungeheures Mühn
Um Haltung und Beherrschung aus ihren Augen glühn.
Sah heißen Lebenswillen, sah Hoffnung und sah Mut.
Ich sah in manchen Antlitz ein Lächeln, stark und gut.
Da hab ich tief ergriffen, den Geist des Volks erkannt
Das, ausgewählt zum Leiden, das Leid noch stets bestand.
Das sich aus Not und Elend, Verbannung, Fröhn und Haft
Noch immer hat erhoben mit ungebroch’ner Kraft.
Ich sah heut’ tausend menschen, verstörten Angesichts
Und sah im Grau des Morgens den
“Strahl des ew´gen Lichts”.
Kurt Mezei, 1924-1945 (Originaltext)